Business Circle: Sehr geehrte Frau Fries, Sie begleiten co-kreativ bei Philoneos (Familien-) Unternehmen rund um die Themen Skills und Zukunft der Arbeit, können Sie uns kurz skizzieren, wie Sie zu dem gekommen sind, was Sie jetzt tun?
Isabell Fries: Ich beschäftige mich schon seit meiner Jugend mit der Zukunft der Bildung und wie wir das Bildungssystem zukunftsfähig gestalten können. Klar ist: Bildung ist unser wichtigstes Kapital! Und wir müssen uns bewusst werden, welche Skills wir für die Zukunft brauchen. In Kopenhagen habe ich erlebt, wie innovativ Bildung gelehrt werden kann und welche Ansätze helfen können. Bereits 2017 habe ich mich in meiner Bachelor-Arbeit (also bevor Home Office und Zoom-Calls Buzzwords wurden) mit Digitalem Leadership beschäftigt und wie wichtig das relationale Kapital, also menschliche Beziehung dabei ist. An der University of Cambridge, am Institute for Manufacturing durfte ich dann der Frage nachgehen, welche Fähigkeiten als typisch menschlich charakterisiert werden und wie eine Mensch-Maschinen-Interaktion gelingen kann. Die Ableitung daraus ist nicht weniger als der Kern dessen, was wir heute und in Zukunft lehren und lehren müssen, um auf unbekannte Zukünfte vorbereitet zu sein. Der Mittelstand ist das Rückgrat unseres Wirtschaftssystems und steckt voller Potentiale. Ich begleite co-kreativ (Familien)unternehmen rund um die Themen Re-und Upskilling, Weiterbildungen, People Konzept, Lebenslanges Lernen, Skillsmanagement und beim Aufbau von internen Akademien. Mein Mantra: "digital denken, menschlich handeln".
BC: Als vor 40 Jahren die mechanische Schreibmaschine langsam durch den Personal Computer ersetzt wurde, änderte sich auch die Jobbeschreibung für die Sekretärin radikal: Von der Schreibkraft zur Allrounderin. Welchen Einfluss könnten Künstliche Intelligenz und fortschreitende Digitalisierung hier haben?
Fries: Unbestritten ist, dass sich durch fortschreitende Technologisierung Jobtätigkeiten verändern werden. Zunächst sollte die Bereitschaft und Offenheit bestehen, sich auf diese neuen Gegebenheiten einzulassen und auch die Technologie als Kollegen zu betrachten. Es ist kein „Mensch vs Maschinen“-, sondern ein „Mensch MIT Maschinen Spiel“. Während einige Aufgaben (wie bspw repetetive Aufgaben) sich automatisieren lassen können, könnten sich neue Möglichkeiten ergeben, die menschliche Fähigkeiten und menschliches Urteilsvermögen erfordern. Wichtig dabei ist, sich kontinuierlich weiterzubilden (Lebenslanges Lernen) und sich mit den neuen Technologien vertraut zu machen.
Die Bildung für das 21. Jahrhundert öffnen
BC: Wenn Sie eine Woche Bildungsministerin wären, was würden Sie ändern?
Fries: Klar ist: Bildung ist unser wichtigstes Kapital! Lehrpläne müssen modernisiert, Zukunftsfähigkeiten gelehrt und individuelle Bildung vermittelt werden. Politik und Lehreinrichtungen müssen sich auf anderes Lernen einstellen. Dafür muss der Lehrberuf und die Bildung in Summe neu gedacht werden. Das Bildungssystem muss heute - und morgen umso mehr - auf ein komplett anderes Leben vorbereiten, als aktuell der Fall ist. Die Art und Form der Bildung verändert sich. Leider sind Lehrpläne und Prüfungsformate veraltet. Konkret bedeutet das:
Digitale Bildung stärken: Eine stärkere Integration digitaler Technologien und Fähigkeiten sollte in den Lehrplan erfolgen. Dies umfasst sowohl die Vermittlung von digitalen Fähigkeiten als auch den verantwortungsvollen Umgang mit Technologie und deren Umgang (Medienkompetenz) sowie der Zugang zu Laptops, Tablets und Online-Ressourcen für alle Schülerinnen und Schüler, um das Lernen individueller und interaktiver zu gestalten.
Attraktivität des Lehrerberufs: Lehrerinnen und Lehrer sind die Schlüsselfiguren in der Bildung. Um den Lehrerberuf attraktiver zu gestalten, müssen Arbeitsbedingungen verbessert und ihre Leistungen stärker anerkannt werden.
Aktualisierte Lehrpläne: Unsere Lehrpläne müssen an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Neben den grundlegenden Fächern sollten auch Zukunftskompetenzen wie kritisches Denken, Kreativität, Problemlösung, Kommunikation, Empathie und Emotionale Intelligenz vermittelt werden. Die Inhalte sollten flexibel genug sein, um auf aktuelle Entwicklungen in Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft reagieren zu können.
Individuelle Bildungsförderung: Jeder Schüler und jede Schülerin ist einzigartig und hat unterschiedliche Stärken, Interessen und Lerngeschwindigkeiten. Deshalb müssen individuelle Lernwege ermöglicht werden, um das Potenzial jedes Einzelnen bestmöglich zu entfalten und an die Bedürfnisse jedes Einzelnen anzupassen.
Neue Prüfungsformate: Statt sich ausschließlich auf standardisierte Tests zu verlassen, sollten vielfältige Prüfungsformate eingeführt werden, die das kritische Denken, die Kommunikation, das Teamspiel, die Anwendung von Wissen und die praktischen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler bewerten. Projekte, Präsentationen und praktische Aufgaben könnten einen größeren Raum in der Bewertung einnehmen.
Inklusive Bildung: Ein inklusives Bildungssystem, das allen Schülerinnen und Schülern, unabhängig von ihren Fähigkeiten und Hintergründen, gerecht wird, sollte weiter gefördert werden. Dies könnte Anpassungen im Lehrplan und barrierefreie Einrichtungen umfassen.
Technologie integrieren: Im Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine ergeben sich viele Chancen. KI kann genutzt werden, um den individuellen Lernbedarf von Schülern und Schülerinnen zu erkennen und ihnen maßgeschneiderte Lerninhalte anzubieten. Es können interaktive Lernumgebungen geschaffen werden, einschließlich Virtual Reality (VR) und Simulationen, die Schüler und Schülerinnen ein immersives und praktisches Lernerlebnis bieten.
BC: Viele arbeiten schon lange mit künstlicher Intelligenz, ohne das als solches wahrzunehmen, indem sie beispielsweise den Google-Übersetzer benutzen. Dieser kann aber nur 80% der Arbeit abnehmen, die einfacheren 80%, die nur 20% der Mühe brauchen. Ein „Darüberarbeiten“ ist immer noch notwendig. Wird sich Ihres Erachtens die Grenze zwischen maschineller und menschlicher Arbeit noch weiter verschieben und wo könnten Grenzen sein, über die Maschinen nicht hinweg kommen?
Fries: Wie bereits erwähnt, ist das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine essentiell. Doch eine KI kann immer nur so gut sein, wie die Qualität der Daten mit der sie gefüttert wurde und lernt. Während KI-Systeme in der Lage sein können, auf Basis vorhandener Daten Muster zu erkennen und Informationen zu verarbeiten, mangelt es ihnen immer noch an der Fähigkeit zur echten Kreativität und innovativen Denkweise. Maschinen können Daten analysieren, aber ihnen fehlt eine eigene moralische Urteilsfähigkeit. Ethik, moralische Dilemmata und komplexe Werturteile erfordern oft menschliche Einschätzungen. Situationen, die unvorhersehbar oder nicht standardisiert sind, könnten für Maschinen problematisch sein. Sie sind darauf programmiert, auf vordefinierte Muster zu reagieren, während Menschen sich oft an neue Umstände anpassen und auf kreative Weise reagieren können. Daher mein Mantra: „Digital denken, menschlich handeln“. In Zukunft werden „Smart Skills“ und Menschliches agieren, an Bedeutung gewinnen. Kommunikation, Kollaboration, Kritisches Denken, Emotionale Intelligenz sowie Empathie sind Qualitäten, die meiner Meinung Assistenten und Assistentinnen besonders auszeichnen.
BC: Welche Empfehlungen würden Sie heute einem jungen Menschen, der am Beginn der Karriere steht geben?
Fries: Nehme alles mit: Du bist jung und die Bühne gehört Dir- suche nach Möglichkeiten, baue Dir ein Netzwerk auf. Tipp: Treffe Dich mit so viele Menschen wie möglich zum Mittagessen und pflege dein Netzwerk. Umgebe Dich mit Menschen, die Deine Stärken stärken, und sei präsent.
Sei neugierig: Stelle Fragen und probiere Dich einfach aus, bringe Dich bei Opportunitäten selbst ins Spiel, nutze aktiv alle Lernmöglichkeiten, die sich Dir bieten, und hole dir proaktiv Feedback.
Bleibe Deinen Werten treu: Der erste Job kann überwältigend sein, aber Du solltest immer wissen, wohin Du willst und wer du bist.
Und das Wichtigste: HABE SPASS und TRUST THE PROCESS. Und natürlich manchmal innehalten, zurückblicken, wie weit man schon gekommen ist.
BC: Abschließend: Sie werden heuer zum ersten Male auf der „Success“ sein, worauf freuen Sie sich am meisten?
Fries: Danke für die Einladung zur SUCCESS und die tolle, reibungslose Organisation. Am meisten freue ich mich auf viele Begegnungen, den Dialog miteinander und einen gemeinsamen Zukunftsblick.
BC: Liebe Frau Freis, wir danken Ihnen für das Gespräch und freuen uns, Sie auf der Success zu begrüßen!
Isabell Fries begleitet bei Philoneos co-kreativ (Familien-) Unternehmen in den Themen Future Skills und Zukunft der Arbeit. Sie ist Expertin für Kommunikation und Lebenslanges Lernen. An der University of Cambridge hat sie zu menschlichen Fähigkeiten und Künstlicher Intelligenz geforscht, inspiriert als TEDx Speakerin für Zukunftsfähigkeiten und wurde als „30 unter 30“ von PR Report ausgezeichnet. Sie ist Mutmacherin, Zukunftsoptimistin und empathische Weiterdenkerin. Am 18. September 2023 hält sie auf der Succes einen Impuls zum Thema “Denke digital – Handle menschlich“.