Wie Jana Brand die Techniker Krankenkasse zur Vorreiterin in der Digitalisierung macht.
Jana Brand ist seit November 2021 Fachbereichsleiterin Process- & Project-Management im Geschäftsbereich IT der Techniker Krankenkasse. Ihre Motivation, um die Digitalisierung voran zu bringen sieht sie auch darin, dass die Krankenkasse mit dem Geld der Versicherten sparsam umgehen muss, wobei sie als Technikerkasse sie den Anspruch haben, auch ihr eigenes Softwarehaus zu sein, das heißt, dass sie mit selbst erstellten Lösungen arbeiten. Allerdings gibt es die TKK gibt es seit über 100 Jahren, also ist ein Start-up-Feeling kaum zu erwarten, außerdem ist überdurchschnittliche Sorgfalt gefragt, weil Gesundheitsdaten besonders heikel sind.
Genau so, wie man nicht nicht kommunizieren kann, kann man nicht keine Prozesse haben
(Jana Brand)
Prozesse sind auf jeden Fall da, sie können aber gut oder schlecht, effizient oder ineffizient, gut gemanaged oder chaotisch sein. Wichtig ist es, die Reise richtig zu starten: Anfangs ist man alleine, alle schauen einen verwundert an, dann machen die ersten mit und schließlich sind alle dabei. Eine effiziente Digitalisierung hat einen großen Hebel über Prozessoptimierung und mit den ersten gut kommunizierten Erfolgsgeschichten, gelingt es, die gesamte Belegschaft mit ins Boot zu holen. Der entscheidende Schlüssel zum Erfolg waren ein crossfunktionales Verschmelzen von Business und IT, einfache, neu durchdachte Prozesse und ein mutiges Team, das durchhält.
Jan Mendling, Humboldt Universität Berlin und TU Wien: Process Mining organisational verankern
Als Hochschullehrer sieht Prof. Dr. Mendling das ganze natürlich aus der akademischen Perspektive, dafür hat er auch nicht die Brille eines einzelnen Unternehmens auf und kann auf die großen Zusammenhänge blicken. Process Mining wurde lange nur als technisches Problem betrachtet, die Frage ist nun, wie die Daten und Erkenntnisse in den Prozess eingebracht werden können und wie das Thema im Unternehmen platziert wird. Wortschöpfung mit Hilfe von Prozessmanagement gelingt nicht aus sich selbst. Es gilt, einen Regelkreis: umzusetzen, analysieren, evaluieren, verbessern, Ergebnisse beobachten und die gewonnenen Erkenntnisse von Neuem einfließen lassen. Prozessdaten sind schneller und transparenter als Interviews, weil sie das Anekdotische herausnehmen. Man kann also mit Evidenz statt aus subjektiver Überzeugung entscheiden. Aber: ohne Adressat verpuffen die Informationen. Es muss sich also jemand verantwortlich fühlen, die Daten auszuwerten und zu analysieren. Eigentlich muss man also zu Beginn von allem einen Meta-Prozess für das Prozessmanagement aufsetzen.
Paneldiskussion: Process Mining verstehen und im Unternehmen umsetzen
Jan Mendling, Humboldt-Universität Berlin | Andreas Schmelzer, Porsche | Stefan Mühlematter, Swisscom. Einige Kernaussagen der Diskussion:
- Strategische Vorteile gut kommunizieren, vor allem so, dass man es auch in der Vorstandebene versteht, dort wo man nicht die Sprache des PZM spricht
- Die Interpretation von Mustern muss sich im Wechselspiel mit der Ergebnisbeobachtung gegenseitig befruchten gegenseitig nach oben spielen.
- Als Außenstehender kann man allein aus den Daten nicht verstehen, worin jetzt das Verbesserungspotenzial für das Business liegt.
- Mit Modellen versuchen, die Beziehungen zwischen den Daten darzustellen. Aber vorsichtig sein: Ein gleichzeitiges Auftreten gewisser Datensätze sagt in einer komplexen Welt noch nichts über Kausalbeziehungen aus.
- Das Problem, das sie hier beim Einsatz von KI ergibt, ist vor allem „Garbage in – garbage out“. Die KI kann nur das, was vorher in sie einprogrammiert wurde.
- Process mining ist ein Werkzeug. Manchmal liegen die Probleme aber in einem Bereich, wo diese Werkzeuge nicht helfen können. Hier ist dann wieder menschliche Intelligenz und klassische Führungsqualität gefragt, um vom „wir schauen nicht hin“ zu „wir gehen es an“ zu kommen.
- Danach teilten sich die fast 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf 5 Round Table-Sessions auf um auf Augenhöhe Probleme und Herausforderungen ihrer täglichen Arbeit zu diskutieren; um einander gute Tipps zu geben, damit nicht andere auch den gleichen mühsamen Erfahrungsweg durchmachen müssen, den man selbst gegangen ist
Robert Hutter, Firestart: Von der Prozessdefinition zum lauffähigen Workflow
Schätzungsweise 59% der Arbeitszeit in Büros werden mit unproduktiven, repetitiven Tätigkeiten verbracht. Es gilt, die Ressourcen, die man ohnehin schon hat, besser und wertschöpfender einsetzen. Wer sei eine Stufe weitergehen will, muss erst einmal sicherstellen, dass der Rahmen und das Fundament für ein weiteres Vorangehen gelegt sind. Es gibt keinen Shortcut vom Fax und Papier zum AI-Office. Auf der einen Seite müssen die richtigen Daten gefunden werden, auf der anderen Seite will man drauf los automatisieren, IT versteht das Business und das Business versteht die IT nicht. Mit seinem Unternehmen steht er an der Schnittstelle. Mit dem Beispiel von Goethes Zauberlehrling warnte er aber auch davor, Bots zu viel anzuvertrauen und Kontrolle und Governance zu verlieren. Von der anfänglichen Euphorie darf man sich nicht täuschen lassen. Eine ideale Prozessarchitektur schafft Freiräume, die dann wieder einen neuen Elan in der Performance auslösen können. Das klingt zwar banal, aber man möge sich überlegen wie weit auch das eigene Unternehmen in realiter davon entfernt ist.
Get-together am Abend über den Dächern von Wien
Günther Tschabuschnig: Daten sind das neue Gold
„Wenn sie glauben, in ihrem Unternehmen haben sie es kompliziert - Ich komme aus der Bundesverwaltung“
Günther Tschabuschnig leitet die DIO (Data Intelligence Offensive) für das BMI, das BMF und das BMAW. In den letzten 5 Jahren hat sich die verfügbare Datenmenge verdreifacht. Was macht man jetzt mit diesen Daten? Vor allem: Was sind Daten, was ist Information, was ist Wissen? Aus den Daten wird erst mit Expertenwissen eine Information, und aus dieser muss man dann die richtige Handlung abgeleitet werden. Mit diesem Wissen im Hinterkopf muss man sich auch keine Sorgen machen, dass Computer und KI werden uns ersetzen werden. Daten sind besser als Gold: Wenn ich daten und Information teile, habe ich doppelt so viel, wenn ich Gold teile, habe ich die Hälfte. In seinen Projekten sammelt nicht Daten, um Daten zu sammeln sondern will Fallbeispiele entwickeln, wie man mit effizientem Datenmanagement neue Informationen und neue Wertschöpfung generieren kann. Was für die Verwaltung funktioniert, sollte für die Wirtschaft erst recht funktionieren. Um seinen Vortrag auf die praktische Ebene zu holen, und dem Publikum mitzuteilen stellte er noch einige use-cases aus seiner Arbeit vor, die dann als Blueprint oder Benchmark dienen können.
Abschluss-Keynote: Lutz Wagner: Entscheiden in Stresssituationen
Lutz Wagner war lange Zeit Fifa-Schiedsrichter und ist heute Schiedsrichter-Ausbilder beim Deutschen Fußballbund. In einem mitreißenden Vortrag nahm er die gesamte Runde in seine Welt der großen Fußballspiele mit, in der ein Feedback eben nicht professionell einmal jährlich im Mitarbeitergespräch kommt, sondern innerhalb von Sekunden in Form von 80.000 Stimmen, die einen auspfeifen. Aber was vor 80.000 Leuten passiert, das klappt auch im kleineren Kreis, was können also die langen Hosen von den kurzen lernen? Die Stakeholder im Fußballspiel sind die Spieler und die Fans, er versteht sich als der Anwalt des Spiels, das für 90 Minuten sein Projekt ist. Da steht er dann als Entscheider in der Mitte, er kann keine Pausen machen, muss Entscheidungen in kürzester Zeit treffen und kann sich auch nicht auswechseln lassen. Neben diesen Stressfaktoren hat er im Fußball auch viele tolle Sachen erfahren: Schnelle Ergebnisse, große Abwechslung und jedes Wochenende eine komplett neue Chance. Wichtig ist es, die jeweiligen Keyplayer zu identifizieren und mit der richtigen Ansprache auf die eigene Seite zu ziehen. Gerade als Führungskraft in Stresssituationen sind 80% Lösungen sind die Besten, die Feinarbeit kann auch das Team machen, der Projektleiter muss den Kopf frei haben für das Große, Ganze. Wer agiert statt reagiert minimiert seine Fehlerquote, weil er nicht in Gefahr kommt, sich treiben zu lassen. Im Nachhinein ist es dann die Zeit, in Ruhe zu reflektieren und zu analysieren. Dabei sollte man vor allem auf die gut gelungenen Projekte schauen, gerade, wenn etwa verdächtig klar zu sein scheint, lohnt sich oft ein genauer Blick.
Ein langanhaltender Applaus dankte für diesen großartigen Vortrag, der einen würdigen Schlusspunkt unter die gelungene Konferenz setze.
Der fachliche Leiter Sven Schnägelberger und Moritz Mirascija, Bereichsleiter bei Business Circle fassten noch einmal die vergangenen eineinhalb intensiven Tage zusammen. Jetzt geht es wieder zur Arbeit und noch erfolgreicherer Performance zurück.
Weiterlesen:
- Digitalisierung ist kein Hexenwerk: Interview mit Michael Ginner und Klaus Schatz, KPMG
- Florian Kocznar, Axians ICT Austria: Regelmäßig wiederkehrende Aufgaben mithilfe von Robotic Process Automation erledigen
- Von „Zeit ist Geld“ zu „Wie nachhaltig ist mein Tun?“ – Michael Huemer, BDO, über einen Paradigmenwechsel im Prozessmanagement
Zum Forum "Process meets Automation"