Die dritte Revolution in der Energiewirtschaft
Das Umfeld von Stadtwerken befindet sich seit Längerem in einem starken Wandel und der Druck von außen wird größer.
Die Energiewende, anhaltender Effizienzdruck, Verluste in der konventionellen Energieerzeugung, geändertes Mobilitätsverhalten, neue Marktteilnehmer oder die Digitalisierung sind nur einige der Herausforderungen, die angestammte Konzerne unter Zugzwang bringen. Zudem verlangt der Kunde vermehrt nach Gesamtkonzepten und maßgeschneiderten Produkten. Die Energiewirtschaft an sich wird zunehmend dezentralisiert, kleinteiliger, volatiler und multifunktionaler. Durch die fortschreitende Digitalisierung und der Verknüpfung von Energie- und Mobilitätswirtschaft mit der Informationstechnologie werden neue Herausforderungen an Unternehmen und Stadtwerke gestellt.
Als Internet der Dinge löst die Digitalisierung alte Geschäftsmodelle ab und bricht bestehende Strukturen auf. Fast täglich entstehen neue Mitbewerber, die mit neuen digitalen Dienstleistungen das traditionelle Geschäft revolutionieren. Teilweise verfügen die neuen Akteure nicht mal über eine reale Infrastruktur und bezeichnen sich selbst als digitale Plattformanbieter. Die vielen Start-Ups, die zunehmend entstehen, sind Stadtwerken insbesondere hinsichtlich Improvisationsfähigkeit und Agilität oft voraus.
Blickt man zurück, so hat die Energiewirtschaft bereits zwei Revolutionen hinter sich.
Die erste war die Liberalisierung des Energiemarktes, die zweite die ausgerufene Energiewende. Die Digitalisierung kann nun als dritte Revolution gesehen werden, welche die anderen beiden sogar noch verstärkt. Die Revolution betreffend die Mobilität in der Stadt vollzieht sich zwar etwas langsamer, kommt aber auch immer mehr in Fahrt, vor allem durch das rasche Wachstum von Städten und den zunehmend notwendigen Problemlösungen auch im Zusammenhang mit dem Verkehr.
Herausforderungen in diesem Bereich sind das Bedürfnis der Menschen nach Echtzeitinformationen, die Sharing-Economy sowie der Trend in Richtung autonomes Fahren. Der traditionelle Wettbewerb im Energie-Commodity-Geschäft wird durch Online-Vergleichsplattformen und der leichten Möglichkeit des Anbieterwechsels über das Internet härter. Die Kunden, nicht nur die jüngeren, haben den Transfer in die digitale Welt bereits vollzogen und sind kommunikativer, vernetzter und mobiler. Viele Stadtwerke sind da heute noch nicht so weit.
Stillstand hat noch nie etwas bewegt
All die dargelegten Herausforderungen führen dazu, dass Differenzierung, neue Impulse und die Entfaltung neuer finanzieller Dynamik in den kommenden Jahren für den wirtschaftlichen Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit von Stadtwerken von hoher Relevanz sein werden. Nach dem Motto „Stillstand hat noch nie etwas bewegt“ müssen sie sich weiterentwickeln und ihre digitale Position bzw. Strategie finden. Stadtwerke können meiner Ansicht nach durchaus von diesen neuen Anbietern und Start-Ups lernen. Es gilt deren Zugänge und Denkweisen zu verstehen und von einer Innensicht zu einer Kundensicht zu kommen. Stadtwerke befinden sich generell aufgrund ihrer vorhandenen Daten, ihres KnowHows, ihrer Vernetzheit und des Vertrauens der Menschen in einer guten Ausgangslage und können die Digitalisierung neben internen Effizienzsteigerungen auch als Einstieg in neue Geschäftsfelder nutzen. Die erfolgreiche Nutzung des bestehenden Potentials hängt aber von der Anpassungsfähigkeit bzw. Geschwindigkeit der Stadtwerke ab. Sie müssen schneller werden, kooperativ denken und handeln und zunehmend über die derzeitigen Produkt-Grenzen hinaus denken.
Entscheidend wird sein, die Antennen nach außen zu richten, die Innovationsaktivitäten an den Markt- und Kundenbedürfnissen auszurichten, ein fundiertes Kundenverständnis aufzubauen und kontinuierlich nach Wachstumschancen suchen die den langfristigen betriebswirtschaftlichen Erfolg sichern. Eine vernünftige Balance zwischen der stabilen Weiterentwicklung des Kerngeschäfts und der Forcierung des innovativen Bereichs muss gefunden und gelebt werden. Da Innovationen durch Menschen entstehen ist eine lebendige Unternehmenskultur die Basis zum Erfolg. Ein Wandel kann nur funktionieren, wenn die MitarbeiterInnen fähig und motiviert sind, Veränderungen und Neues umzusetzen und die Managementebene eine gewisse Fehlerkultur mitträgt. Change Management spielt daher eine zentrale Rolle.
Der Autor : Mag Robert Grüneis ist Vorstandsdirektor der Wiener Stadtwerke Holding und seit 1995 bei den Wiener Stadtwerken tätig. Hören Sie Ihn auf dem Stadtwerkeforum 2016 beim Vorstands-Talk zu: Digitalisierung, neue Energien, neue Märkte - Strategien und Herausforderungen für Stadtwerke